Fastenmythen entlarvt: Was stimmt wirklich?

Fasten soll gesund sein – aber bedeutet es automatisch Verzicht und Leiden? Wir nehmen bekannte Fastenmythen unter die Lupe und zeigen, was wirklich dahintersteckt.

Fasten hat eine lange Tradition, ist in vielen Kulturen fest verankert und erlebt in den letzten Jahren aufgrund seiner gesundheitsfördernden Wirkung einen enormen Aufschwung.
Bereits Hippokrates von Kos (um 400 v. Chr.) beschrieb die therapeutische Wirkung des Fastens. Vor gut 100 Jahren wurden in Europa wichtige Meilensteine des Fastens gesetzt, aus denen sich im Laufe der Zeit unterschiedliche Fastenformen entwickelt haben: vom reinen Wasserfasten über das Saftfasten bis hin zum Basenfasten. Darüber hinaus haben sich verschiedene begleitende Maßnahmen etabliert, um die Effekte des Fastens zu verstärken oder den Körper besser bei der Ausleitung von Giftstoffen zu unterstützen.
In den letzten zehn Jahren wurde viel zum Thema Fasten geforscht – einerseits, um erwünschte Effekte besser zu verstehen und gezielt zu optimieren, andererseits, um gut gemeinte Maßnahmen zu hinterfragen, die möglicherweise weniger hilfreich sind oder sogar Nachteile mit sich bringen.
Der Beginn der Fastenzeit ist der perfekte Zeitpunkt, um bekannte Fastenmythen genauer unter die Lupe zu nehmen.


Ihr Ärzte- & Diätolog*innen-Team Marienkron

MYTHOS 1 – Fasten bedeutet Leiden!
 

FALSCH!
 

Die Ärztegesellschaft Heilfasten und Ernährung setzt als wichtiges Kriterium, dass Fasten mit Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit einhergehen soll und dies selbstverständlich ohne gesundheitliche Nachteile.
Die ersten 48 Stunden können – vor allem, wenn man noch keine oder wenig Fastenerfahrung hat – etwas holprig sein. In dieser Phase kann es auch zu Kopfschmerzen oder leichtem Schwindel kommen, muss es aber nicht! Grund dafür ist unter anderem der sogenannte Metabolic Switch: Der Körper schaltet von Glukose- auf Fettverbrennung um und bildet gesundheitsfördernde Ketonkörper.
Spätestens nach dieser Umstellungsphase fühlen sich Fastende in der Regel sehr wohl, sind körperlich aktiv und manche berichten sogar von einem Fastenhigh.
Dennoch haben viele Menschen Angst, dass sie während der Fastenzeit ständig Hunger haben oder den ganzen Tag im Bett liegen müssen, weil ihnen die Energie fehlt. Dem ist nicht so, vorausgesetzt, man beachtet ein paar wenige, aber wesentliche Dinge:

Medikamente: Verschiedene Medikamente können den Fastenverlauf negativ beeinflussen oder schwere Nebenwirkungen verursachen. Manche Medikamente müssen deshalb reduziert, laufend angepasst oder ganz abgesetzt werden. Dies betrifft unter anderem gängige Blutdrucksenker oder Diabetesmedikamente. Zudem gibt es Wirkstoffe, bei denen vom Fasten gänzlich abgeraten wird. WICHTIG: Auch bei der vielfach verordneten Antibabypille gibt es Hinweise auf Wirkungsveränderungen, über die es aufzuklären gilt. Daher ist bei Medikamenteneinnahme ein Fasten unter ärztlicher Aufsicht immer ratsam.

Krankheiten: Es gibt einige Erkrankungen, die einerseits Nebenwirkungen während des Fastens begünstigen oder sogar einen Ausschlussgrund darstellen. Beispiele hierfür sind Gallenkoliken (Steinleiden) oder Essstörungen (auch in der Vergangenheit). Hier muss in einem ausführlichen Erstgespräch geklärt werden, ob eine engmaschigere Betreuung notwendig ist oder vom Fasten gänzlich abgeraten werden muss. Bestimmte Auffälligkeiten im Labor können im Vorfeld Hinweise auf mögliche Nebenwirkungen geben oder sogar durch das Fasten verhindert werden.

Nulldiät: Ein Wasser- oder Teefasten (evtl. mit klarer Suppe) ist aus mehreren Gesichtspunkten kritisch zu betrachten: Der Körper greift einerseits zur Energiegewinnung auch auf die Muskulatur zurück, andererseits werden nur wenige wichtige Mineralstoffe zugeführt.

Abführen: Beim Abführen gehen Flüssigkeit und wichtige Mineralstoffe verloren, was zu Kreislaufproblemen führen kann. Für den Fasteneffekt ist weder eine Entleerung noch eine Darmspülung erforderlich.

Aktivität: Viele wollen jedoch während der Fastentage das MAXIMUM aus sich herausholen und überfordern ihren Körper maßlos bzw. planen keine Regenerationsphasen ein. Wie so oft im Leben ist man mit folgendem Tipp gut beraten: Belastung ohne Überlastung.

Fastendauer: Die optimale Fastendauer sollte individuell bestimmt werden. Hier spielen verschiedene Variablen wie körperliche Reserven, Grunderkrankungen und Fastenziel eine Rolle. Ganz klar gilt: Die optimale Fastendauer ist wichtiger als die absolute Fastendauer.
 

Mythos 2 – Der Darm muss sauber sein 

Abführmaßnahmen, Einläufe und Spülungen für besseren Fastenerfolg und Entgiftung

 

FALSCH!

 

Unser Darm mitsamt seinen Bewohnern ist ein unübertreffliches Wunderwerk, das sowohl im Alltag als auch während des Fastens gut gepflegt werden will. Ein generell gesunder Lebensstil ohne Nikotin und mit ausreichend Bewegung spielt hier zusätzlich eine entscheidende Rolle. Unser Magen-Darm-Trakt arbeitet hervorragend, wenn folgende wichtige Bedingungen erfüllt sind: Einerseits darauf achten, wann und welche Speisen und Getränke ich zu mir nehme, andererseits Ruhe. Ruhe betrifft hier zwei wesentliche Aspekte: im Sinne von achtsamem Essen ohne Hast und Ablenkungen, aber auch den Magen-Darm-Trakt in Ruhe lassen.

Bezogen auf das Fasten verändert sich das Darmmikrobiom – man spricht vom sogenannten Darm-Reset. Positive Veränderungen zeigen sich in der Zunahme der Diversität der Bakterien sowie in der Zunahme von Bakterienkolonien, die vermehrt schützende Bausteine und gesundheitsfördernde kurzkettige Fettsäuren produzieren. Für diese positiven Veränderungen sind keine Eingriffe von oben oder unten notwendig.

Heute wissen wir, dass auch die "Entgiftung" während des Fastens neu gedacht werden muss. Spätestens seit den verblüffenden Erkenntnissen des renommierten Altersforschers Valter Longo wissen wir: Viele entscheidende Effekte des Fastens spielen sich direkt in der Zelle ab, zum Beispiel das phänomenale Recyclingprogramm namens Autophagie oder auch die Aktivierung spezieller Gene. Abführende Maßnahmen hat es in seinen Studien nie gegeben, die positiven Effekte waren dennoch uneingeschränkt vorhanden. Wenn keine gravierenden Einschränkungen der Leber- und Nierenfunktion vorliegen, kümmern sich unsere Organe zuverlässig um den Stoffwechsel und die Ausscheidung gesundheitsschädlicher Substanzen.

Abführende Maßnahmen sind jedoch in einigen Fastentraditionen fest verankert. Sie sollen gegen Hunger und Fastenbeschwerden hilfreich sein und vor allem die Ausscheidung von Giftstoffen über den Darm fördern. Breite Evidenz dafür gibt es jedoch nicht, im Gegenteil, Bedenken mehren sich. So nimmt das Universitätsspital Zürich zu den „Mythen und Fakten zum Darm“ Stellung zu Abführmitteln, Einläufen und Darmspülungen:

"Es gibt keinen wissenschaftlichen Beweis, dass Menschen von diesen Maßnahmen profitieren, im Gegenteil. Gifte, die der Darm erfolgreich im Kot gebündelt hat, können dabei sogar erst freigesetzt werden. Außerdem sind diese Maßnahmen zumindest vorübergehend ein massiver Eingriff in die Darmflora."

Auch sogenannte Giftstoff- bzw. Toxinbinder wie etwa Zeolith sind wenig hilfreich. Prof. Dr. Martin Smollich erklärt dazu in seinem Buch „Der Nährstoffkompass“:

"Zeolith und Bentonit binden als 'Superabsorber' die Nährstoffe aus der Nahrung, sodass diese in Ihrem Darm nicht mehr aufgenommen werden können."

Um den Darm bestmöglich zu unterstützen und auch in Fastenphasen aktiv zu halten, gibt es durchaus gute Möglichkeiten: beispielsweise sorgfältige Entlastungstage vor Fastenbeginn und ergänzend aber auch magnesium- und calciumhaltige Mineralwässer, die gleichzeitig die Prinzipien eines Basenpulvers abdecken.

Die Effekte des Fastens werden also durch den Verzicht auf darmbezogene Interventionen keineswegs geschmälert. Nach unseren Erfahrungen sind die Auswirkungen sogar positiv, da die Fastenden durch den Verzicht auf abführende Maßnahmen deutlich weniger Nebenwirkungen haben und somit auch das Fastenziel erreicht wird: Fasten bedeutet Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit.

Vertrauen Sie Ihrem Dickdarm! 😉

 

Für den Alltag Gut zu wissen

 Darmpflege bedeutet: 

  • Mahlzeitenrhythmus mit entsprechenden Pausen
  • probiotische Lebensmittel
  • vollwertige und abwechslungsreiche Ernährung mit wertvollen Ballaststoffen
  • ausgiebiges Kauen 
  • Ruhe beim Essen

Darmpflege bedeutet NICHT: Darmreinigung durch Abführmittel, Giftstoffbinder, Einläufe oder Spülungen bzw. wahllose Probiotika. 

 

Mythos 3 - Kaffee und Fasten passen nicht zusammen

 

FALSCH!

 

Kaffee hatte lange Zeit einen schlechten Ruf. Er soll den Körper übersäuern, entwässern und das Herz-Kreislauf-System belasten. 

Die Forschung zeichnet jedoch mittlerweile ein ganz anderes, sehr positives Bild von Kaffee. Kaffee ist ein Naturprodukt, reich an sekundären Pflanzenstoffen, enthält Ballaststoffe und kann viele positive Wirkungen entfalten.

Studien zeigen, dass regelmäßiger Kaffeekonsum das Risiko für Demenz, Parkinson, Diabetes Typ 2, Herzinfarkt, Gicht und Depressionen senken kann. Sogar eine Senkung des Risikos für bestimmte Krebserkrankungen (z.B. Darm-, Brust- oder Prostatakrebs) wird beschrieben. Es mehren sich außerdem die Hinweise auf eine generelle Erhöhung der Lebenserwartung.

Kaffee hat auch Eingang in die aktuelle Leitlinie zur nichtalkoholischen Fettlebererkrankung der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten gefunden, da er das Risiko einer nichtalkoholischen Fettlebererkrankung senken kann. 

Zu all diesen positiven Eigenschaften sei auch noch erwähnt:

Kaffee hat eine leicht anregende Wirkung auf den Stoffwechsel - kann also beim Abnehmen unterstützen, aber auch während der Fastenperiode den Stoffwechsel aktiv halten und den Blutdruck unterstützen. 

Während des Fastens regt Kaffee die Autophagie an und unterstützt somit den Recyclingprozess der Zellen.

Kaffee säuert den Körper nicht an, sondern wird im Gegenteil sogar basisch verstoffwechselt. 

Die enthaltenen Polyphenole wirken entzündungshemmend.

Kaffee entzieht dem Körper kein Wasser, sondern wirkt sich positiv auf die Flüssigkeitsbilanz aus.

Sofern man Kaffee gut verträgt und nicht unter Sodbrennen, Magen- oder Darmbeschwerden leidet, kann er das Fasten gut unterstützen und sogar das Auftreten von Fastenbeschwerden deutlich reduzieren.

Idealerweise:

  • Kaffee frisch gemahlen zubereiten
  • 1-2 Tassen täglich sind in Ordnung
  • schwarz, ohne Zucker, ohne Milc
  • eine Stunde Abstand zu den Fastenmahlzeiten 
  • In Ruhe achtsam genießen!

Mythos 4 – Intervallfasten – Eine weitere Diät, die langfristig nichts bringt?
 

FALSCH!

 

Phasen mit eingeschränkter Kalorienzufuhr – sei es jahreszeitlich bedingt oder durch mangelndes Glück beim Jagen und Sammeln – gab es, seit es Leben gibt. Dementsprechend können Organismen mit wiederkehrenden Fastenperioden gut umgehen, sonst wären wir und viele andere Spezies schon lange ausgestorben.

Evolutionsbiologisch betrachtet war die Nahrungsbeschaffung überlebenswichtig, und jede erbeutete Nahrung war mit Glücksgefühlen verbunden, weil das Leben bis zum nächsten Hunger gesichert war.

Unser Körper kann also perfekt mit Essenspausen umgehen. Nichts anderes ist Intervallfasten – eine Ernährungsform, die praktikabel ist, perfekt in den Alltag integriert werden kann und somit nicht nur als vorübergehende Diät dient.

Intervallfasten hat viele Vorteile:

Studien zeigen, dass Intervallfasten eine gute Unterstützung beim Gewichtsmanagement bietet. Viele Fastende berichten zudem von einem besseren und damit erholsameren Schlaf sowie einer Linderung von Reizdarmbeschwerden.

 

Intervallfasten-Konzepte

Es gibt verschiedene Konzepte – vom „Alternate Day Fasting“ (1:1), bei dem jeden zweiten Tag gefastet wird, bis zum 5:2-Fasten, bei dem an zwei Tagen in der Woche gefastet wird.

Am bekanntesten und für den Alltag meist am praktikabelsten hat sich das tägliche Intervallfasten etabliert. Es wird im Englischen auch als „Time-Restricted Eating“ (TRE) bezeichnet. Besonders verbreitet ist die 16/8-Methode, bei der ein Essensfenster von 8 Stunden pro Tag zur Verfügung steht, während 16 Stunden gefastet wird.

Fälschlicherweise kursiert immer wieder das Gerücht, weniger Fastenstunden pro Tag würden nichts bringen. Das ist definitiv falsch. Bereits ab 14 Stunden (14/10) – bzw. 15 Stunden (15/9) bei Männern – Kalorienverzicht sind positive Effekte zu erwarten. Männer benötigen eine Fastenstunde mehr, da die Leber mehr Zucker speichert.

 

Unsere Empfehlungen:

  • Start mit 14/10: Nach dem Abendessen wird 14 Stunden lang nichts gegessen und keine Kalorien über Getränke aufgenommen. Wasser, ungesüßter Tee und Kaffee sind natürlich erlaubt. Auf Süßstoffe sollte verzichtet werden, da sie generell der Gesundheit abträglich sind.
  • Für Männer empfiehlt sich ein längeres Fastenintervall aufgrund der größeren Glykogenspeicher.
  • Wer seine Fastenzeit erhöhen möchte und mit dem 16/8-Intervall gut zurechtkommt, profitiert unter anderem von einem verlängerten Recyclingprozess der Zelle, der sogenannten Autophagie. Ist die Steigerung jedoch mit mehr Stress und Zeitdruck verbunden, kann man bei den oben genannten Intervallen bleiben. Wichtig ist – wie so oft – die Regelmäßigkeit.
  • Ob zwei oder drei Mahlzeiten in das Essensfenster integriert werden, kann individuell entschieden werden. Es sollte auf eine abwechslungsreiche und vollwertige Ernährung geachtet werden, um den Nährstoffbedarf zu decken.

 

Wichtige Tipps:

  • Keine Snacks oder kalorienreichen Getränke zwischen den Mahlzeiten. Auch vermeintlich gesunde Snacks können die Leber belasten. Desserts sollten – falls gewünscht – direkt zu den Mahlzeiten eingenommen werden.
  • Frühstück frühestens eine Stunde nach dem Aufstehen. Ungesüßter Tee, schwarzer Kaffee oder Wasser sind in dieser Phase natürlich erlaubt.
  • Beenden Sie das Abendessen spätestens drei Stunden vor dem Schlafengehen. Dann spielt auch der Hormonhaushalt besser mit. Ideal ist noch ein kurzer Abendspaziergang.

Quellen: 

Prof. Dr. Andreas Michalsen – Mit Ernährung Heilen. 5. Auflage 2020. Insel Verlag Berlin

Prof. Dr. Andrea Michalsen – Ernährung – Meine Quintessenz. 2024. Insel Verlag Berlin

Dr. Valter Longo, PhD – The Longevity Diet. 2018. KMV Besorgung

https://www.usz.ch/darm-mythen-und-fakten/

Prof. Dr. rer. nat. Martin Smollich – Der Nährstoffkompass. 2025. Gräfe und Unzer Verlag GmbH

Prof. Dr. Michaela Axt-Gadermann – Der neue Fastencode. 2024. Südwest Verlag